Meine persönlichen Trainingsgrundsätze – Teil 4

Vor zwei Wochen bin ich Deutscher Meister im Weitsprung der M50 geworden. Das war alles andere als selbstverständlich, weil diese Saison einfach nichts wirklich zusammenlief. Insgesamt vier Zerrungen, dadurch ständig abgebrochene Wettkämpfe und einfach kein kontinuierlich aufbauendes Training. Das knabbert natürlich an der Selbstsicherheit und der notwendigen Zuversicht für Wettkämpfe. Eigentlich aber eine ganz komfortable Situation: Ausreden genug, falls es nicht laufen sollte. Und damit komme ich zu meinem vierten Grundsatz beim Training und Coaching:

„Keine Ausreden für die eigene Leistung!“

Leichtathletik gehört zu den ehrlichsten Sportarten – ich bekomme das heraus, was ich reingesteckt habe. Anders als in Mannschaftssportarten oder Sportarten mit subjektiver Punktevergabe geht es in der Leichtathletik um Sekunden und Zentimeter, also ein objektives Maß meiner persönlichen Leistung (Staffeln und Mannschaftswettbewerbe einmal ausgeklammert). Im Wettkampf absolut vergleichbar mit dem Ergebnis meiner Konkurrenten, da gleiche Bedingungen herrschen (abgesehen von wechselnden Winden oder plötzlich wechselnde Wetterbedingungen in technischen Disziplinen).

Also sollte man sich als Leichtathlet schnell angewöhnen, auch ehrlich zu sich selbst zu sein. Mein persönlicher Favorit als O-Ton eines Athleten: „Die Bahn ist ja blau! Das bin ich nicht gewohnt, da kann ich nicht laufen!“

Jede Platzierung, die beim Wettkampf herauskommt, ist ein Ergebnis meiner Vorbereitung, meiner Tagesform und meiner Wettkampfeinstellung. Punkt! Mit dem Wetter müssen alle klarkommen, mit einem Zwicken im Oberschenkel muss ich nicht antreten und mein Sprung war übergetreten, weil ich meinen Anlauf nicht im Griff habe – und nicht weil der Kampfrichter pingelig ist. Ich habe beim Training und Wettkampf schon so viele Ausreden gehört, warum etwas nicht geht, warum man nicht zu Ende trainieren kann und, und, und…Natürlich auch von mir selbst – das ist menschlich! Ständig konzentrieren wir uns darauf, was nicht passt und lamentieren allzu gern darüber. Es ist der einfachste Weg zu begründen, warum etwas nicht klappt.

Fakt ist, je weniger man sich auf die äußeren Bedingungen konzentriert, desto fokussierter kann man an seiner Leistung arbeiten. Auch das erfordert Training, das allerdings auf mentaler Ebene stattfindet. Ich bin kein Mental Coach, aber ich weiß, wie verhext ein Wettkampf laufen kann, wenn man sich zu sehr von den äußeren Bedingungen beeinflussen lässt. Ein schönes eigenes Beispiel von der Masters-WM in Lyon 2015: Meine Form war klasse, aber mein Kopf war mit allem anderen beschäftigt außer Weitsprung. Das fing mit dem Absprungbalken an, auf dem kein Plastillin war, sondern nur ein Klebestreifen. Habe ich mich fürchterlich drüber aufgeregt. Dann meine innere Einstellung: Wegen einer Wadenverhärtung vier Wochen vor der WM, habe ich mir nach meinem guten ersten Versuch eingeredet, dass es doch schön ist, überhaupt dabei sein zu können. Bullshit – dieser Gedanke tötet jeden Killerinstinkt im Ansatz! Das kann man sich sagen, wenn es nicht gereicht hat. Und schließlich die fehlende Fokussierung: Ich habe mich lieber darüber geärgert, dass ein paar Mitstreiter besoffen im Wettkampf waren, anstatt mich auf mich selbst zu fokussieren und die letzten Reserven zu mobilisieren. Ergebnis: 5. Platz mit 14 cm Rückstand auf Gold, 5 cm auf Silber und 3 cm auf Bronze! Sehr ärgerlich, aber selbst versaut…

Sobald wir uns auf negative Aspekte beim Sport konzentrieren, schränken wir uns unnötig ein. Es ist nicht zu unterschätzen, welchen destruktiven Effekt negative Gedanken auf unsere Leistungsfähigkeit haben. Solche Sätze wie „das schaffe ich nie“, „das wird nix“ oder „die anderen sind bestimmt besser“ setzen uns unnötig unter Stress, wir verspannen und bleiben hinter unserer Leistung zurück. Diesen Effekt kann man jedoch „umdrehen“: Mit sich selbst reden, sich selbst anfeuern, negative Gedankenspiralen mit einem vehementen gedanklichen „Stop!“ unterbrechen. Mit Ausreden „füttere“ ich nur die negative Gedankenspirale: „Wusste ich doch – konnte ja nichts werden“. Eine Bestätigung meiner negativen Ausgangslage und eine Bestärkung dafür, beim nächsten Mal wieder meckernd an die Sache heran zu gehen.

Sprinttraining im Winter? YES!

Gerade beim Training sorgen Ausreden dafür, dass die Kontinuität des Trainingsprozesses nicht optimal genutzt werden kann. Ausgenommen sind natürlich Verletzungen oder Krankheiten. Aber selbst mit einem verstauchten Fußgelenk kann ich alternativ etwas für meine Rumpfmuskulatur tun oder mit Therabändern leichtes Krafttraining absolvieren. Besonders sind wir als „Senioren“ gefährdet, weil der innere Schweinehund im Laufe der Zeit immer fetter wird. Hier ein Link zu 10 typischen Ausreden, nicht zum Sport zu gehen – und was wirklich dahinter steckt:

10 Ausreden, die dich vom Sport abhalten (und wie du sie überwindest)

Für die nächsten zwei Wochen vor der EM der Masters in Aarhus/Dänemark ist bei mir jedenfalls „Gedankenhygiene“ angesagt. Nicht nach Ausreden Ausschau halten, sondern Möglichkeiten entdecken!

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